Dienstag, 19. Dezember 2017

Uniform!

Als Schülerin fand ich den Gedanken, dass in Ländern wie England oder Japan alle Kinder ein und dieselbe Schuluniform tragen, total furchtbar. Es kam mir vor wie ein Zwang, eine Einschränkung der Individualität, ein Bevormunden.
Was insofern interessant und fast schon widersprüchlich ist, weil ich selber in meiner Jugend Mobbingopfer war aufgrund der Klamotten, die ich trug. (Ja, Bullys nehmen jeden Furz als Grund, jemanden zu mobben.)

Mit den Jahren (jetzt Anfang 30) hält die Weisheit in mein Hirn Einzug, zusammen mit der Erkenntnis, was für Vorteile eine Uniform oder eine gewisse Kleiderordnung hat:

1. Es entsteht eine Art Identifikation mit der Institution, eine Widererkennung untereinander auch außerhalb, eine Abhebung von anderen. In den USA sind die Uniformen ja sogar Zeichen elitärer Privatschulen. Als in NRW Studiengebühren eingeführt wurden, hat meine Fachschaft allen Erstsemestern eine Umhängtasche im Fakultätsdesign mit Arbeitsmaterialien zusammengestellt. Das Feedback: "Voll witzig, wenn man am anderen Ende des Campus die Tasche entdeckt, wo man sie gar nicht vermutet hätte."

2. Im Lern- und Berufsleben sollte zählen, wie du arbeitest, ob du schlau bist, teamfähig, zuverlässig (oder was auch immer für deine Tätigleit wichtig ist). Und nicht, ob du dir Buffallo-Schuhe und Dickies-Hosen leisten kannst (Jugend in den 90ern lässt grüßen). Man eliminiert zum Großteil einfach das Kommentieren und Bewerten von Klamotten als Mobbing- und Diskussionpunkt. Und spätestens seit Serien wie Gossip Girl wird uns auch klar, dass die Abhebung von z.B. Mitschülern dann trotzdem stattfindet darüber, welche Tasche man hat, welchen Mantel man drüber zieht. Der Individualität der Einzelpersonen ist trotzdem noch ein bisschen Raum gegeben.

3. Man müsste sich deutlich weniger Gedanken um Klamotten machen. Es wäre einfach vollkommen klar, dass man aus den wenigen Varianten, die so eine Uniform bieten würde, schnell irgendwie wählen kann. Was das für Zeit und Nerven sparen würde...

4. Man bräuchte an sich viel weniger Klamotten. Ein Großteil der Zeit wäre ja schon geregelt durch den Dresscode. Für die Freizeit könnte man sich wenige durchdachte Outfits anschaffen. Das wäre sowieso viel nachhaltiger. Und das Wochenende hätte schon dadurch was Besonderes, dass man sich regelrecht "verkleiden" könnte und man diese Tage nutzen könnte, die eigene Botschaft, den eigenen Stil viel durchdachter nach außen zu tragen.

Ich höre schon den Aufschrei der Leute, die sehr gerne Klamotten kaufen, sich darüber Gedanken machen, ihre Outfits zusammenzustellen... der Hashtag #ootd (outfit of the day) bei Instagram würde klägliche Einbrüche erleben. Jedoch sollte sich meiner Meinung nach das Individuum wünschenswerterweise lieber abheben durch andere Qualitäten als dadurch, was für Klamotten man einkauft, oder? Und die Konsumkritikerin in mir würde sich freuen, dass wir weniger, dafür ausgewählter Klamotten konsumierten.
Auch die FAZ schreibt in einem Artikel, dass es sich lohnt, vorbehaltslos darüber zu diskutieren. Dass es offensichtlich messbare Verbesserungen in Sachen Gewalt, Mobbing und Disziplin an Orten gibt, die Uniformen eingeführt haben. Wenn wir es jetzt noch schaffen, dass die Uniformen nicht nur aus Röcken für Mädchen und Stoffhosen und Schlips für Jugen bestehen...
Fangen wir an wie meine Schülervertretung damals oder Doktorandenvertretung jetzt: einfach mal T-Shirts, Longsleeves, Hoodies in normalen Farben wie Dunkeblau oder Grau mit dem Logo zu bedrucken. Feddich.
In den USA sind die Merchandise-Artikel der eigenen Alma Mater etwas, das man mit Stolz trägt. Das dient als Smalltalk-Start, Türöffner zu Netzwerken und wie gesagt auch Identifikation.
In armen Ländern kann die Schuluniform mit Stolz getragen werden, weil sie verschleiert, dass das Geld für andere Klamotten vielleicht gar nicht reicht. Spielt aber keine Rolle. Die Gleichheit der Uniform ist auch eine Chance.

(Geschrieben in meinem neuen Instituts-Hoodie)